dirk königsfeld

     
   
    Noemi Smolik

Dirk Königsfeld

Galerie Johnen+Schöttle, Köln, 15.12.2000 ‑ 3.2.2001

Licht. Fotografie ist das Ergebnis der Lichteinwirkung. Es ist das Licht, vielmehr die von einem Gegenstand reflektierten Lichtstrahlen, die auf speziellem Papier Spuren hinterlassen, die ein Bild entstehen lassen, das wir als Fotografie bezeichnen. Ohne Licht keine Fotografie. Daher werden die meisten Fotografien, die draußen aufgenommen sind, während des Tages, wenn es die Sonne als natürliche Quelle des Lichtes gibt, gemacht. Wer fotografiert schon eine Straße, eine in einem Vorort stehende Garage oder eine Fabrik in der Nacht? Es sei dem es handelt sich um eine belebte Straße mit grell leuchtenden Reklamen oder um einen Ort, an dein etwas Ungewöhnliches, etwa ein Verbrechen, gar ein Mord passiert ist. Dann bedient man sich einer künstlichen Beleuchtung, eines Strahlers, der den Ort beleuchtet, oder man nutzt das, Blitzlicht der Kamera.

Ohne Strahler und ohne Blitzlicht fotografiert Dirk Königsfeld ruhige Straßen der Vororte, Häuserecken und ganze Siedlungen, Mauern, hinter denen sich Lagerräume oder ganze Fabrikanlagen befinden, Garagen, kleine Vorgärten oder ruhige Bahnhöfe, wie den Görlitzer Bahnhof in Berlin, während der Nacht. Für seine Aufnahmen nutzt er ausschließlich die Straßenbeleuchtung, die Laternen des Bahnhofs, die Sicherheitsbeleuchtung auf dem Fabrikgelände oder die Strahler vor der Einfahrt in die Garage. Alles künstliches Licht also, das Königsfeld so an Ort und Stelle vorfindet. Nichts ist für die Aufnahme inszeniert, kein zusätzliches Licht wird aufgebaut, keine Strahler auf die Hausfassade oder die vor dem Hauseingang wachsenden Bäume gerichtet, kein Blitz und keine Farbfilter werden benutzt.

Alles ist der Natur überlassen. Allerdings einer Natur, die durch die künstliche Beleuchtung ihrer ursprünglichen Natürlichkeit beraubt ist. Und trotzdem ist sie die Wirklichkeit; so sind die nächtlichen Straßen, die schwach beleuchteten Wege entlang einer Mauer, so sieht der Hauseingang aus. Die künstliche Beleuchtung ist uns, da das künstliche Licht sich seit der Entdeckung der Elektrizität immer mehr, selbst in die entlegensten Winkeln verbreitet, längst zur zweiten Natur geworden. Aber wer nimmt noch die veränderte Farbigkeit, die ungewöhnliche Schärfe der Umrisse, die Härte des Schattens wahr? Eigentlich dient die abends eingeschaltete Beleuchtung nicht dazu, einzelne Gegenstände wie das Haus, den Baum, die Tür, die Treppen wirklich in Erscheinung zu bringen. Vielmehr dient sie als Erinnerungsstütze: hier ist die Treppe, links der Baum, hinten die Mauer. Wer sieht sich die Blätter des beleuchteten Baumes wirklich an? Es reicht zu wissen, er ist da und es ist hell um ihn herum. Das beruhigt.

Die während der Nacht von Dirk Königsfeld aufgenommen Fotos, die der 1967 in Köln geborene Künstler in seiner ersten Einzelausstellung in der Galerie Johnen+Schöttle zeigt, lassen uns staunen. So sieht die von Straßenlaternen beleuchtete nächtliche Welt aus? Dieses künstlich leuchtende Grün der Bäume, das helle Gelb der Fassade, dieser Kontrast zwischen dein schwarzen Hintergrund und der beleuchteten Front des Einkaufzentrums, die Härte des Schattens, die etwas Gespenstisches hat, nein, das ist zu künstlich, es sieht unwirklich aus! Tatsächlich wirken die Fotos gestellt. Wir wollen nicht glauben, dass hier kein zusätzliches Licht, kein farbiger Filter benutzt wurde. Und sind es überhaupt wirkliche Häuser, Garagen, Mauern? Vielmehr sehen sie wie Kulissen aus, wie Filmkulissen für einen Krimifilm.

Wir können uns gut vorstellen, dass hier vor der grell beleuchteten Garage gleich etwas Unheimliches passieren wird, etwa ein Überfall, ein Mord eine Vergewaltigung. Unheimlich wirken die Orte auf den Aufnahmen von Königsfeld, wie Orte des Verbrechens, die wir aus den Zeitungen her kennen. Dabei deutet bei genauem Hinsehen nichts auf ein Verbrechen. Was soll auch vor einem Plattenbau in der Berliner Skalitzer Straße oder auf der hell beleuchteten Straße entlang eines Einkaufzentrums in Hürth passieren. Und trotzdem irgend etwas Beunruhigendes haben die nächtlichen Aufnahmen von Dirk Königsfeld. An diesen Aufnahmen wird nichts manipuliert, nichts verändert., nichts unter‑ oder überbelichtet. Und trotzdem, so soll die nächtliche Welt aussehen? Man sagt die Fotografie lüge nicht. Wenn man diese nächtlichen Aufnahmen betrachtet, dann lügt sie gewaltig ‑ oder liegt es vielleicht daran, dass die Fotografie während der Nacht anders als wir sieht?